Schlussspurt nach Mainz

Die Kampagnen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stehen zu Beginn des Wahljahres besonders im Fokus. Wie kann unter Pandemie-Bedingungen ein weitestgehend digitaler Wahlkampf aussehen und vor allem gelingen? Nach der Beobachtung des TV-Duells in Rheinland-Pfalz und dessen Verlängerung in Social Media ziehe ich ein eher nüchternes Fazit: Für das Wahljahr 2021 ist das, was beide Kampagnen-Teams digital veranstalten, einfach zu wenig.

Wir haben uns am Freitag das TV Duell der beiden Spitzenkandidaten in Rheinland-Pfalz genauer angesehen. Den Fragen von Moderator und SWR-Chefredakteur Fritz Frey stellten sich der Herausforderer Christian Baldauf (CDU) sowie die amtierende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer (SPD). Die Situation in Rheinland-Pfalz ist sechs Tage vor der Wahl wie folgt: Seit Juni 2018 lag die Union in Umfragen vor der SPD. Jüngste Zahlen von Infratest Dimap und der Forschungsgruppe Wahlen sehen die SPD wiederholt vor der Union. Ob das schon eine Trendumkehr ist, ist schwer zu sagen. Sicher ist jedoch, dass bei einer so knapp prognostizierten Wahl die Aktivierung und Mobilisierung in der Schlussphase das Gesamtergebnis spürbar beeinflussen kann.
Grund genug also, einmal genauer hinzuschauen, wie beide Kampagnen das mediale Ereignis „TV-Duell“ aufgreifen und ob die KandidatInnen am Wahlabend substanziell neue UnterstützerInnen via Social Media aktivieren können.

Daten: https://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/rheinland-pfalz.htm

Beobachtung entlang des Wähler-Funnels.

Vorab: Mediale Ereignisse sind ein wichtiger Zeitpunkt im digitalen Wahlkampf: Die Aufmerksamkeit in den Leitmedien überträgt sich in dezidierte Suchanfragen im Web und in Social Media. Klar zu sehen war das beispielsweise im Mai letzten Jahres, als Armin Laschet erstmals Lockerungen ankündigten. Das Google Search Volume stieg, Laschets Instagram-Profil wuchs. Solche Beobachtungen lassen sich wiederholt machen und legen folgendes nahe: WählerInnen bewegen sich im digitalen Raum entlang eines Marketing/Informations-Funnels, welcher aus unterschiedlichen Touchpoints besteht.

Für digitale Kampagnen ist es folglich wichtig, die entsprechenden Touchpoints zu erkennen und für sich nutzbar zu machen. Heißt auf gut Deutsch: Wenn zu erwarten ist, dass ein Kandidat/eine Kandidatin große Öffentlichkeit erfährt, welches Angebot sollte dann auf den digitalen Kanälen präsentiert werden? Bestenfalls übersetzt sich das medial getriggerte Interesse in politische Unterstützung. Das Gewinnen neuer Follower dient in diesem Zusammenhang als Gradmesser.

Es lohnt sich also, genau hinzuschauen, wie die Social Media Profile am Abend des TV Duells geführt werden und wie sich das Wachstum entwickelt. Wir haben also das P&I Monitoring Tool angeschmissen und minütlich relevante Metriken abgegriffen. Im Ergebnis zeigt sich so das Wachstum der Facebook und Instagram-Seiten im Verlauf des Abends in hoher Auflösung.

Christian Baldauf: Der Herausforderer

Wer das Amt des Regierungschefs anstrebt, muss an einem Abend wie dem des TV-Duells über jeden Zweifel erhaben sein. Entsprechend umfangreich die Vorarbeit: Themen werden vorbereitet und im Rahmen des TV-Duells gesetzt. Die hierbei zutage geförderte Information eignet sich ideal, um während des TV-Duells via Social Media verlängert zu werden. Die Statements des eigenen Kandidaten können via Feed&Story bekräftigt, den Statements der Gegenseite widersprochen werden. Soweit die Theorie.

Etwas überraschend daher die Beobachtung, dass die Profile von Christian Baldauf weitestgehend statisch blieben. Das Duell wird via Facebook und Instagram angekündigt, nach der Sendung freut Baldauf sich über den Empfang von UnterstützerInnen vor dem Studio. Dazwischen bleibt das Profil stumm. Hier bleiben wichtige Punkte liegen.

Gerade als Herausforderer eignet sich z.B. die Instagram-Story zur Verlängerung des Duells in die eigene Community. Inhaltliche Aspekte können eingeordnet, auf Schwächen des Gegners und Stärken des eigenen Kandidaten hingewiesen werden. Nichts davon passiert auf Baldaufs Profilen.

Malu Dreyer: Die Amtsinhaberin

Die amtierende Ministerpräsidentin begleitet den Abend ähnlich wie ihr Herausforderer, nutzt Social Media aber intensiver. Das Team greift inhaltliche Punkte aus dem Duell auf und macht sich diese zu nutzen. Sowohl im Facebook Feed, als auch im Instagram Feed und der Instagram-Story finden sich fast in Echtzeit Video-Snippets zu Verlängerung des Duells in die jeweilige Community. Das ganze wird über den persönlichen Account von Malu Dreyer gespielt, was die notwendige „Beinfreiheit“ für digitalen Wahlkampf überhaupt erst ermöglicht. Zu Erinnerung: Ein Account, welcher das jeweilige Amt repräsentiert, ist Teil der Exekutiven und kann somit nicht zu Wahlkampfzwecken verwendet werden. Auf die korrekte Trennung zwischen Amt und Person wird im Wahljahr 2021 noch zu achten sein.

Blasse Aussichten für den digitalen Wahlsommer

Beide Kandidaten nutzen das TV Duell in ähnlicher Weise aber unterschiedlich intensiv. Obgleich das Duell das Online-Interesse an beiden Personen erheblich steigert, wachsen die jeweiligen Facebook und Instagram-Profile nur sehr zaghaft, wie die folgenden Grafiken zeigen (Wachstum Facebook & Instagram):

InstagramFacebook
Malu Dreyer+ 29 Follower (0,25%)+ 16 Follower (0,02%)
Christian Baldauf+ 19 Follower (0,45%)+ 27 Follower (0,29%)
Zuwächse Instagram & Facebook im Verlauf des TV-Duells.

Insgesamt fällt auf, dass beide Kandidaten nicht wirklich aktivieren. Die Zuwächse sowohl bei Facebook als auch bei Instagram sind minimal. Natürlich gibt es keinen unikausalen Zusammenhang zwischen Medieninteresse und Social Media-Wachstum. Dennoch wäre angesichts der politischen Ausgangslage, des sich abzeichnenden Kopf- an Kopf Rennens sowie angesichts der gesellschaftspolitischen Situation mit stärkeren Zuwächsen zu rechnen gewesen.
Handwerklich mögen beide Kampagnen dem gängigen Standard entsprechen. Insbesondere die Kampagne von Malu Dreyer wirkt in der Gesamtbetrachtung stringent in der Umsetzung. Ich bezweifle jedoch, dass diese glatte Inszenierung in 2021 noch verfängt. Beide Kandidaten bleiben – Pardon – blass. Der flüchtige Besucher erfährt weder etwas von der tiefergehenden Motivation der Kandidaten, noch finden sich persönliche oder emotionale Anknüpfungspunkte. In einem Wahljahr, in dem persönliche Nähe und Vertrauen auf absehbare Zeit nur digital hergestellt werden können, ist das zu wenig.

Kontakt: hello@politicalinfluencers.de

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