Denn sie wissen genau, was sie tun.

Der Stand der Wahldebatte? Politik-Deutschland diskutiert ein Selfie. Und nein, das meine ich nicht ironisch oder sonst wie desavouierend, sondern ganz nüchtern und deskriptiv. „Koalition-Vorsondierungen. Erstes Treffen von Grünen und FDP endet mit Selfie“ titelt der Spiegel. What a time to be alive! Die politische (Über)Interpretation des Posts überlasse ich gern anderen. Auf der anderen Seite kann ich nach 3 Jahren Forschung zur Instagram-Nutzung in der Politik an diesem Thema einfach nicht vorbeigehen. Insofern schauen wir uns doch einmal die Reichweiten und Interaktionsraten an. 

Die vier ProtagonistInnen erreichen über ihre Instagram-Kanäle insgesamt rund 810.000 Follower. In der Medienrezeption dürfte die Gesamtreichweite dieses Posts jedoch noch deutlich größer sein. Bemerkenswert ist weniger die Existenz des Bildes als solches, sondern das abgestimmte Vorgehen. Alle vier PolitikerInnen posten das gleiche Bild (vom Einsatz unterschiedlicher Filter abgesehen), und den identischen Text.

„Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus. Und finden sogar welche. Spannende Zeiten.“


Hier wird ganz bewusst eine Botschaft gesendet in einem Medium, welches sowohl den Parteien, aber insbesondere den abgelichteten Personen in besonderem Maße zur Akkumulation politischen Kapitals dient. 

Instagram, Personal Branding und Politik

Annalena Baerbock, Christian Lindner und Robert Habeck verstehen es wie kaum andere PolitikerInnen, über Instagram eine politische Personenmarke zu kultivieren. Daran ändern auch die hämischen Besserwisser-Takes bei Twitter nichts. Wie insbesondere Habeck und Lindner Instagram in den vergangenen Monaten und Jahren für die politische Kommunikation eingesetzt haben, setzt Maßstäbe. FDP-Generalsekretär Volker Wissing sieht da im direkten Vergleich etwas „alt“ aus (blame it on the Zitatkacheln). 

Likes und Kommentare zu vergleichen ist ungefähr so sinnvoll wie Follower-Zahlen stumpf nebeneinander zulegen. Likes und Kommentare korrelieren stark mit der Profilgröße, Letztere hängt neben der Popularität der Person auch stark vom Alter des Profils ab. Aber es gibt ja noch die Engagement Rate, also der Anteil der Follower, die durch einen Like oder einen Kommentar mit dem Post interagieren. Und da sieht das Ganze dann so aus: 

Stand: 29.09., 13 Uhr

Hierzu nur zwei Kommentare zur Einordnung: Die hohe Engagement Rate auf dem Profil von Volker Wissing ist über dessen relativ kleine Profilgröße zu erklären. Das Engagement nimmt im Durchschnitt proportional zur Profilgröße ab. Gleiches gilt für das Profilwachstum. Es sieht unabhängig davon so aus, als wäre die FDP-Community etwas stärker gehyped als die Follower von Baerbock und Habeck. Hierzu wäre eine Analyse der Kommentare sicherlich der bessere Gradmesser. Also, wer mag bitteschön. 

Last but not least sollte man nicht den Fehler begehen, die Wahl des Kanals dem Zufall zuzuschreiben. Was sowohl die FDP als auch Die Grünen seit Jahren bei Instagram an politischer Kommunikationsarbeit leisten, erklärt einen Teil des Erfolgs bei ErstwählerInnen. Alle im Bild wissen genau, was sie da tun.

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