Cabin Crew: Prepare for Departure

Dieser Text entsteht im Airbus A320 Platz 15D. Das ist der Platz am Flügel und das ich genau hier sitze, wo sich die Rotation um die Querachse am schwächsten anfühlt, ist kein Zufall. Gerade eben ertönte das Signal:

Cabin Crew: prepare for departure. 

Und für mich beginnt damit nicht nur die Reise nach Washington, sondern eine persönliche Tortur. 

Ich muss das einmal zum Ausdruck bringen. Ich hasse das Fliegen. Nicht aus den naheliegenden Streber-Gründen – das Klima, die unbequemen Sitze, allgemein Flughäfen- Nein, die Sache es viel basaler und sie ist mir ehrlich gesagt auch ein wenig peinlich: Ich verachte das Fliegen, weil ich Angst davor habe.

Ich bin Segler. Ich verstehe das Prinzip vom aerodynamischen Auftrieb. Ich weiß, warum durch Schub und Geschwindigkeit ein tonnenschwerer Flugzeugkörper gar nicht anders kann, als abzuheben. Ich weiß um die doppelt und dreifache Redundanz in allen Systemen. Befreundete Pilotinnen und Piloten haben mir das x-mal in aller Seelenruhe erklärt. Ich weiß um die statistische Sicherheit, ja. Ich. Weiß. Das. Alles. 

Aber jetzt, in diesem Moment des Aufstiegs in die Wolkendecke über Hamburg, wenn das Flugzeug durchgerüttelt wird und die Turbinen aufbrausen, nützt all dieses Wissen nichts. Hände schwitzen, Augen zugekniffen, Musik so laut, wie es geht. Die Angst ist und bleibt eine schlechte Geliebte. 

Dabei ist der Anlass diese Reise ganz wunderbar. 

Im Sommer 2021 habe ich meine Forschung zum Einfluss sozialer Medien auf Wahlentscheidungen an der Uni Hamburg abgeschlossen. Wobei, um es mit den Worten meines Doktorvaters zu sagen: „Forschung nie zu Ende ist.“ Was natürlich stimmt, einerseits. 

Andererseits begann mit dem Ende der Promotion der Schritt in die Selbstständigkeit und damit ein neuer Lebensabschnitt. Gut vorbereitet zwar, aber dennoch. Im April 2022 folgte dann die Gründung des eigenen Beratungsunternehmens People on the Hill. 

Das ist hier mehr als eine Randnotiz, denn wirklich sichtbar war die Company für Externe bisher noch nicht. Die Markteinführung, das große Bohei, die Op-eds, all das wird seit Tag 1 vom Tagesgeschäft verdrängt. 

Auch das etwas, was ich meinen Kunden nur bedingt empfehlen würde, in die Öffentlichkeit zu tragen, aber in einer Zeit; die Authentizität über Qualität stellt, müssen wir da wohl gemeinsam durch. Und überhaupt: Was für ein wunderbares „Problem“. Insofern stimmt es dann doch, dass die Forschung niemals endet, denn sonst säße ich jetzt nicht im Flieger gen Washington.

Es geht für 10 Tage nach D.C. zu den Midterm Elections. Politisch steht einiges auf dem Spiel, das ist klar. Das Land ist gesellschaftlich tief gespalten. Auch das eigentlich eine Binse. Nur: Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn sich die Fronten verhärten und Propaganda zum Modus Operandi der politischen Kommunikation wird? Wie ist das?

Ich bin überzeugt, die Theorie allein wird uns, wird mir dabei keinen ausreichenden Erkenntnisgewinn bescheren. Ich muss also hin. Vor Ort sein, rein in die Gesellschaft, was immer das auch sein mag. Meine Arbeitshypothese (tut mir leid, ich kann nicht anders) geht dahin, dass die Zwischenwahlen weniger über das eigentliche Ergebnis ihre Wirkung entfalten, sondern über den Umgang damit.

Verstehen sie mich nicht falsch: Natürlich ist es für den amtierenden Präsident Joe Biden politisch überlebenswichtig, am 8.11. die Mehrheiten in beiden Kammern nicht zu verlieren.

Aber wir sollten bei allem Interesse an originär Politischen nicht vergessen: Als am 6. Januar 2021 Anhänger von Donald Trump das Kapitol stürmten, stand nicht weniger als ein demokratisches Grundprinzip offen zur Disposition, nämlich: dass der Unterlegene in einer demokratischen Wahl den gewaltfreien Machtwechsel durch das Akzeptieren der eigenen Niederlage ermöglicht.

Die Midterms sind daher ein auch Test dafür, wie es knapp zwei Jahre später um die politische Kultur in den Vereinigten Staaten bestellt ist. Das so klar auszuformulieren, ist eigentlich eine Ungeheuerlichkeit, aber das sind die Zeiten, die wir durchleben.

Insofern: Augen auf und los. Es warten spannende Gesprächspartner, unzählige Eindrücke und eine für Politik-Nerds verheißungsvolle Stadt am anderen Ende des Großen Teichs. Und wäre doch schade, das nur aus der Ferne zu betrachten. In diesem Sinne:

Cabin Crew, prepare for landing

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