Instagram – Politischer als wir denken?

Mit Helena Wittlich vom Tagesspiegel habe ich über meine Forschung zur strategischen Nutzung von Instagram gesprochen. Der Text wird in den kommenden Tagen online frei verfügbar sein oder kostenpflichtig heute bereits hier. Außerdem liegt der Tagesspiegel natürlich am Kiosk des Vertrauens. Aber nun zur Sache: Wie aus dem Artikel hervorgeht, bin ich davon überzeugt, dass Instagram das Potential hat, mittel- bis langfristig den Ausgang von Wahlen zu verändern.

In einem kürzlich eingereichten Papier zum Instagram-Nutzungsverhalten von Spitzenpolitikern zur Bundestagswahl 2017 konnte ich zeigen, dass der strategische, datengestützte Einsatz von Instagram erhebliches Potential besitzt, den Ausgang von Wahlen zu verändern. Das Papier wird an dieser Stelle alsbald veröffentlicht, bereits vorab in aller Kürze einige Erkenntnisse meiner quantitativen Erhebung mit anschließender Modellierung und Auswertung. Zum Verfahren des Datenzugriffs habe ich hier bereits das notwendige aufgeschrieben.

Auf Partei-Level konnten Abgeordnete, die im Wahlkampf Instagram verwendeten, in 5 von 7 Fällen ein höheres Erststimmenergebnis erzielen als solche, die auf Instagram verzichteten. Am höchsten war der Zugewinn an Erststimmen an den Rändern des politischen Spektrums.

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Interessanter Weise zeigt diese empirische Betrachtung entlang einer binären Merkmalsausprägung (Nutzt Instagram vs. Nutzt Instagram nicht), dass für Abgeordnete der FDP entgegen der einhellig als progressiv besprochenen und ausgezeichneten Kampagne zur BTW17 Instagram keinen Nutzen für das Erststimmenergebnis mit sich brachte.Bevor nun berechtigte Kritik hinsichtlich der Ungleichheit von Korrelation und Kausalität angebracht werden, hier bereits der Disclaimer: Die Herleitung von Kausalität zählt zu den zentralen Forschungsaufgaben zur Beschreibung des Einflusses digitaler Wahlkämpfe auf demokratische Systeme. Hierzu demnächst mehr an dieser Stelle.

Ein zentrales Anliegen meiner Forschung war und ist es, das „Bauchgefühl“ von Kampagnen-Strategen quantifizierbar zu machen. Hierzu ist es notwendig zu wissen, was Engagement und Wachstum politischer Instagram-Kanäle treibt, da beide Kennzahlen entsprechend der Kampagnenphasen umfangreiche Rückschlüsse auf die Gesamtperformance der Kampagnen zulassen. Hierzu wurden die einzelnen Instagram-Beiträge meiner Erhebung zur BTW17 entsprechend ihrer Charakteristik anhand von bis zu 30 Merkmalsausprägungen kodiert. Die zur Bundestagswahl 2017 entstandenen Datenreihe aus 954 Beobachtungen ist in dieser Form die Erste und führt zu folgenden Ergebnissen:

  • Selfies generierten 1,6% mehr User Engagement als herkömmliche Beiträge. Bilder, die den Profil-Besitzer in Gänze zeigen, steigerten das User Engagement um 3,5% pro Beitrag. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Bild, das den Profil-Besitzer in voller Pracht zeigt, nicht vom Profil-Besitzer selbst geschossen werden konnte. Die gesteigerte Interaktion mit entsprechende Beiträgen deutet darauf hin, dass Instagram-Nutzer eine gewisse Form der Inszenierung auch im politischen wertschätzen. Ergänzt man die statistische Modellierung um Beiträge, die offenkundig professionell bearbeitet wurden, zeigt sich jedoch ein überraschend anderes Bild:

Posts, die als professionelle Beiträge kodiert wurden, verzeichneten konstant negative Koeffizienten und erreichten nur in wenigen Fällen ein ausreichend hohes Signifikanzniveau. Dies steht im Kontrast zu häufig beschriebenen, subjektiven Meinungen, wonach die Pflege eines politischen Instagram-Accounts einen professionell inszenierten Auftritt verlangt.

In der Form der Inszenierung scheint also eine Mischung aus persönlichem Touch und beiläufigem Schnappschuss Dritter professionell orchestrierten Auftritten ebenbürtig bis überlegen. Dies schließt Amtsträger nicht mit ein, welche als gesonderte Kohorte eine separate Betrachtung benötigen.

  • Videos führten zu 5,6% mehr Engagement, Beiträge die aus mehreren Bildern bestehen erzielten 2,5% mehr Engagement als solche, die nur ein einzelnes Bild zeigten. Posts, deren Standort per Geo-Tagging hinterlegt war, erzielten im Durchschnitt 1,15% mehr Engagement. Mit jedem zusätzlichen Hashtag im Beitrag steigerte sich die Interaktion der Nutzer um 0,17% (Sample Average).

Auf die Bedeutung der unterschiedlichen Medientypen innerhalb Instagrams für Kampagnen soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Interessanter ist der Befund, wonach explizit politische Botschaften, die an einen politischen Gegner bzw. an einen Politiker einer anderen Partei / eine andere Partei gewidmet sind, 4% mehr Engagement hervorrufen, als eher unpolitische Beiträge. Dies kann zwei Gründe haben: Entweder, Instagram ist kein per-se unpolitisches Netzwerk und die Nutzer wertschätzen politische Auseinandersetzung, oder aber die Follower eines politischen Profils sind zum Großteil Anhänger/Partisans. Für die strategische Konzeption zukünftiger Kampagnen macht dies einen erheblichen Unterschied.

So oder so bedeutet die Politisierung von Instagram angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse in unserem 7-Parteiensystem zwangsläufig die Aufwertung einer Zielgruppe, die bisher für Kampagnenstrategen eine zweitrangige Rolle gespielt hat: Erstwähler.

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