Auf ein Date mit #MrSicherheit

Vor elf Tagen habe ich an dieser Stelle mein kleines Instagram-Bundestagswahl-Experiment ins Leben gerufen. Elf Tage, oder anders ausgedrückt: 203 Posts von 12 deutschen Spitzenpolitikern die entsprechend meiner Methodik in 5684 Datenpunkte übertragen wurden – die Umfrageergebnisse von Wahlrecht.de nicht mit einbezogen.

Methodik, Datenpunkte, Posts… alles schön und gut. Nur, wo bleibt die Erkenntnis? Gemach. Erste Beobachtung: Es dauert. Seit dem 4. August jeden Abend die Selbe Routine; von 23 bis 24 Uhr habe ich ein Date mit:

  • Dr. Peter Tauber, CDU
  • Andreas Scheuer, CSU
  • Hubertus Heil, SPD
  • Nicola Beer, FDP
  • Beatrix von Storch, AfD
  • Dr. Angela Merkel, CDU
  • Joachim Hermann, CSU
  • Martin Schulz, SPD
  • Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen
  • Cem Özdemir, Bündnis 90/Die Grünen
  • Christian Lindner, FDP
  • Dr. Alice Weidel, AfD

Zur gegeben Uhrzeit durchforste ich die Instagram-Profile ebenjener Politiker und übertrage die dort zu sehenden Informationen in eine Matrix. Hierzu habe ich 29 Variablen definiert, welche die Natur des Posts einfangen, den Inhalt in numerische Form übertragen und die Beiträge dementsprechend fit bzw. verwertbar für weiterführende statistische Analysen machen.
Zusätzlich sichere ich den Wortlaut der Posts um ggf. noch eine semantische Inhaltsanalyse der Beiträge durchzuführen. (Besten Dank diesbezüglich an Raoul Kübler für’s Sparring!)

Ich habe lange darüber nachgedacht, was der beste Zeitpunkt für eine tägliche Auswertung ist. Entweder sehr früh morgens, oder relativ spät am Abend, so viel war klar. Die Vorteile einer Erhebung zum immer gleichen Zeitpunkt – fixed-date, sozusagen – liegen auf der Hand: Ich halte die Erhebungsumstände konstant. Indem ich Tag für Tag zur selben Uhrzeit in der selben Reihenfolge die selben Arbeitsschritte zur Transkription der Beiträge ansetze, verringere ich die Varianz (und hoffentlich den strukturellen Fehler) im Datensatz und schaffe so die Grundlage für eine weiterführende Analyse.

Auf der anderen Seite sind die so erhobenen Daten nicht zwangsläufig repräsentativ für die Performance der beobachteten Profile, da die Güte – ausgedrückt in Likes und Kommentaren – steigt, je länger ein Beitrag online ist.
Die Alternative also wäre, jeden Beitrag, der innerhalb von 24 Stunden von Politiker XY gepostet wird, nach erneut 24 Stunden auszuwerten, fixed-time, sozusagen. Durch das so konstant gehaltene Zeitfenster wäre die Performance der Profile klar zu identifizieren gemäß der Beobachtung:

„Die Beiträge von Politiker A erhalten in 24 Stunden doppelt so viele Likes wie die von Politiker B.“
– Oder so.

Wäre schön, ist mir in Ermangelung entsprechender Tools und/oder Manpower jedoch nicht möglich. Ganz im Gegenteil muss in der gewählten Methodik auch kein zwangsläufiger Nachteil liegen. Denn entgegen der fixed-time Methode ermöglicht die fixed-date Betrachtung Einblicke in die tatsächliche Performance der Kanäle gemessen an der Art- und Weise, wie der Kanal geführt wird.
Dem zugrunde liegt die Annahme, dass die beobachteten Politiker ihre Beiträge so planen, dass sie entsprechend des Medienkonsums ihrer kanalspezifischen Zielgruppe die größten Nutzen bzw. die größte Reichweite und Interaktion erzielen.
Vor diesem Hintergrund kommt der Uhrzeit der Beiträge eine besondere Bedeutung zu. Da Instagram diese Information jedoch nicht frei zugänglich macht, bleibt nur die regelmäßige Betrachtung der Kanäle zum festgelegten Zeitpunkt X – bei mir:
Täglich ab 23 Uhr. 

Wie werden aus Bildern und Wörtern nun Daten? Folgende Variablen / Merkmalsausprägungen werden genutzt, um die Natur der Beiträge einzufangen: Zunächst eine Reihe an grundlegenden Informationen zur Performance des jeweiligen Posts:

  • Anzahl der Beiträge pro Tag
  • Anzahl der Likes des Beitrags
  • Anzahl der Kommentare unter dem Beitrag

Darüber hinaus liegt die Nutzung von Netzwerkeffekten in Social Media im Fokus der Analyse: Wie nutzen Politiker die Möglichkeiten, auf Instagram Inhalte durch die Verwendung von Hashtags und Verlinkungen einem breiteren Publikum zu eröffnen?

  • Anzahl der verwendeten Hashtags
  • Anzahl der verlinkten Konten
  • Gibt es einen Bezug zur Kampagne der jeweiligen Partei?
  • Gibt es einen Bezug zu einem anderen Politiker?
  • Gibt es einen Bezug zur eigenen Partei?
  • Gibt es eine direkte Botschaft an eine andere Partei?

Selfie, Story, Video etc. – Folgende Variablen erfassen die Natur des Beitrags hinsichtlich der gewählten Medienform:

  • Handelt es sich um ein Video?
  • Handelt es sich um eine Story?
  • Handelt es sich um eine Collage?
  • Handelt es sich um ein Selfie?
  • Handelt es sich um eine Grafik oder Ähnliches?
  • Ist der Absender im Bild?
  • Wurde der Absender von Dritten fotografiert?

In der klassischen Kampagnenführung kommt dem Ort, an dem die Botschaften platziert werden, eine besondere Bedeutung zu. Wo und wie stehen Plakate? Gibt es einen Bezug zwischen der Botschaft des Plakats und der Umgebung, in der es hängt bzw. aufgestellt wird? Stichwort: Contextual Campaigning?
Social Media bietet in diesem Zusammenhang viele Möglichkeiten, durch die Hinterlegung des Ortes im Beitrag einen direkten bzw. kontextabhängigen Bezug zwischen dem Wort- und Bildbeitrag und seiner Umgebung herzustellen.
Doch: Wird diese Möglichkeit genutzt?

  • Geht der Ort, an dem der Beitrag erstellt wurde aus dem Beitrag hervor?
  • Ist der Ort technisch im Beitrag hinterlegt?

Und überhaupt Mediennutzung im Jahr 2017. Spätestens seit dem #fedidwgugl der CDU Bundeskampagne scheinen Hashtags ein fester Bestandteil der politischen Kommunikation im Wahlkampf zu sein. Die Grünen gehen auf dem #Cemtrail (sic), die AfD fordert mit #TrauDichDeutschland Mut für irgendwas und die SPD beschwört mit #ZeitfürMartin den Reddit-Geist der neuen Medien. Doch: Was nutzt es eigentlich?
Um dieser Frage nachzugehen überprüfe ich zunächst ob und wie die Spitzenpolitiker ihre Beiträge über die Nutzung der passenden Hashtags mit den eigenen Kampagnen kontextualisieren und verbinden.

  • #Fedidwgugl
  • #denkenwirneu
  • #darumgrün
  • #traudichdeutschland
  • #zeitfürmartin
  • #btw17

Die Auswahl der Hashtags erfolgte nach folgendem Verfahren: Am Tag vor der ersten Auswertungsrunde wurden Beiträge der Erhebungsgruppe auf die Nutzung von Hashtags analysiert und entsprechend der parteipolitischen Verwendung zum entsprechenden Zeitpunkt identifiziert und ausgewählt. Es ist gut möglich, dass sich im Zuge der Mediennutzung der Kampagnen die Hashtags der Parteien verschieben. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung des Hashtags #Gerechtigkeit, welches von SPD-Anhängern vermehrt genutzt wird, ohne dass es einen unmittelbaren Bezug zur Kampagne geben würde.

Auch wenn diese Unmittelbarkeit keine notwendige Bedingung für die Übernahme des Hashtags in den Datensatz darstellt, sollen die erhobenen Hashtags konstant gehalten werden um den Datensatz nicht zu zerfasern. Last but not least werden täglich die „harten Kennzahlen“ der Profile erfasst:

  • Follower
  • Selbst abonnierte Profile
  • Anzahl der Beiträge

Soviel zur Methodik. Fest steht vor der 12. Erhebungsrunde, dass zunächst eine rein deskriptive Auswertung der Profile im direkten Vergleich den größten Erkenntnisgewinn verspricht. Denn: Das Nutzungsverhalten dieser in sich doch homogenen Gruppe unterscheidet sich doch stark. Dafür an dieser Stelle nur ein Beispiel zur Nutzung von Hashtags:

  • Hubertus Heil, Generalsekretär der SPD – Durchschnittliche Anzahl genutzter Hashtags pro Beitrag: 0
  • Joachim Herrmann, Spitzenkandidat der CSU – Durchschnittliche Anzahl genutzter Hashtags pro Beitrag: 25

Darunter schon das ein oder andere Highlight. Stichwort: #MrSicherheit

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